Normes Sociales

 
 
 

Soziale Standards und Sozialzertifizierung in Europa

 

1 Einleitung

 

2 Überblick

 

3 Was bedeutet Nachhaltige Entwicklung?

3.1 Das Nachhaltigkeitsdreieck

3.2 Soziale Kriterien

3.3 Das Baum-Modell

 

4 Beteiligungsmöglichkeiten der Gewerkschaften

4.1 Der Globale Pakt der Vereinten Nationen

4.2 Gewerkschaften und Nachhaltigkeit

4.3 Europäischer Sozialer Dialog

4.4 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

4.5 Soziale Verantwortung der Unternehmen

4.6 Forest Stewardship Council

4.7 Flower Label Programm

4.8 Initiativen auf Länderebene

 

5 Grenzüberschreitende Zusammenarbeit

 

Anhang

6.1 Die Forderungen

6.2 Literatur und Internetadressen

 

 

1 Einleitung

Globalisierung, EU-Osterweiterung und die Diskussion über nachhaltige Entwicklung sind einige Stichwörter, die den Wandel in den Ländern der europäischen Union in den letzten Jahren beschreiben. Ein zentrales Problem bei der EU-Osterweiterung ist das enorme Einkommensgefälle zwischen den jetzigen und den künftigen Mitgliedsstaaten sowie der hohe Beschäftigungsanteil in der Landwirtschaft in den Beitrittsländern.

Es ist mit betrieblichen Konzentrationen und Strukturbrüchen zu rechnen, die, wenn nichts unternommen wird, zu einem Anwachsen der Arbeitslosigkeit in den Beitrittsländern führen werden. Auch die „alten“ Mitgliedsländer werden von dieser Entwicklung durch eine Verschärfung der Arbeitsmarktsituation betroffen sein. Zur Bewältigung dieser Krisen wird häufig eine einseitig auf kurzfristige wirtschaftliche Ziele und Ergebnisse ausgerichtete Politik und Wirtschaft betrieben.

Mit dem weltweit anerkannten Leitbild „Nachhaltige Entwicklung“ sollen neben ökonomischen auch sozial und ökologisch zukunftsfähige Maßstäbe für das Wirtschaften entwickelt werden, da nur so Gerechtigkeit zwischen den Generationen und den Menschen auf der gesamten Welt möglich wird.

Die Gewerkschaften beteiligen sich mit anderen Interessengruppen an der Gestaltung dieser Prozesse. Sie sind Experten insbesondere für die sozialen Fragen der Zukunftsgestaltung. Sie müssen und sie werden dafür Sorge tragen, dass die Belange der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und der sozial Schwachen berücksichtigt werden und die Veränderungen sozial verträglich erfolgen.

Nachhaltige Entwicklung setzt auf die Beteiligung möglichst vieler Menschen an den Entwicklungsprozessen. Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in aller Welt engagieren sich für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen, gegen Diskriminierung und Armut und auch lokal für einen besseren Natur- und Umweltschutz und sichere Arbeit im Betrieb.

Mit dieser Broschüre wollen wir darstellen, welche Ansätze es für die Gewerkschaften gibt tätig zu werden. Gerade für die Beitrittsländer wird einiges neu sein. Wir wollen aufzeigen, dass sich Einsatz lohnt, und zur Eigeninitiative aufmuntern.

Doch auch die Gewerkschaften können nicht alles allein. Sie brauchen für Ihre Arbeit Unterstützung. Im Rahmen eines vom deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit geförderten Bildungsprojektes wurde diese Broschüre erstellt. Für diese Hilfe sei dem Ministerium gedankt. Auch dem Bundesvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes danken wir für den Einsatz bei der Projektvorbereitung.

Unser spezieller Dank gilt allen, die in den Seminaren bei der Erstellung der Informationen mitgewirkt haben.

 

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2 Überblick

Die Europäische Union hat im Jahre 2001 in Göteborg eine Nachhaltigkeitsstrategie verabschiedet. Alle Politiken der Union werden darin verpflichtet, ökonomisch, ökologisch und sozial verträglich zu sein. Die neuen Eu- Mitgliedsländer (EU-Beitrittskandidaten) sollen sich ebenfalls an der Umsetzungsstrategie beteiligen. Die Umsetzung bedeutet eine große Herausforderung für alle Beteiligten. Ihr Erfolg hängt im Wesentlichen davon ab, inwieweit Entscheidungen von den wichtigen gesellschaftlichen Gruppen getragen werden. Zu den wichtigen Gruppen und Akteuren gehören auch die Gewerkschaften.

Der Soziale Dialog und der europäische Dialog über eine Nachhaltige Entwicklung stehen heute für diese Zukunftsgestaltung. Sowohl der Soziale Dialog wie auch das Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung basieren auf der Beteiligung der Akteure und sehen in ihnen die Träger der Weiterentwicklung. Während der soziale Dialog die Weiterentwicklung sozialer Angelegenheiten als Schwerpunkt seiner Arbeit sieht, versucht das weltweit akzeptierte Leitbild Nachhaltige Entwicklung, an dem sich die Politiken der Europäischen Union auszurichten haben, die drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales miteinander zu verbinden.

Eine nachhaltige Entwicklung ist mit erheblichen Veränderungen für die Menschen verbunden. Neben der Entwicklung neuer Technologien und den Folgen etwa für die Arbeitsplätze im Rahmen einer ökologischen Modernisierung wird auch unser Wohlstandsmodell zur Debatte stehen. Unabhängig von den Kontroversen über die unterschiedlichen Zukunftsmodelle ist sich die Mehrheit der Akteure in der Debatte darüber einig, dass es Gewinner und Verlierer in dem anstehenden Prozess geben wird. Ganze Branchen sind von Arbeitslosigkeit bedroht, und viele Regierungen versuchen, die sozialen Sicherungssysteme abzubauen. Wichtig scheint deshalb, bereits frühzeitig Trends zu beschreiben, positive Konzepte zu entwickeln und negative Auswirkungen der Entwicklung abzufedern.

Das zentrale Problem ist aber, dass soziale Aspekte in der Nachhaltigkeitsdiskussion bisher zu wenig Berücksichtigung gefunden haben, und noch eine erhebliche Unklarheit darüber besteht, was soziale Nachhaltigkeit tatsächlich ist bzw. sein könnte. Das liegt auch darin begründet, dass es keine von allen Menschen getragene Definition gibt, was im Rahmen der Nachhaltigkeitsdiskussion unter dem Begriff „sozial“ zu verstehen sei. Die bisherigen Versuche leiden erheblich unter der bisherigen Geringschätzung des Themas und können deshalb bisher allenfalls allgemeinere Beschreibungen liefern. Für die einzelnen Wirtschaftssektoren und Branchen gibt es deshalb z.Zt. mehr Fragen als Antworten. Außerdem wird die Diskussion vor allem in der Wissenschaft und in einigen Unternehmensspitzen geführt, ohne dabei dem Grundprinzip der Partizipation zu entsprechen. Sie findet ohne die relevanten Akteure statt, und es muss bezweifelt werden, ob die Ergebnisse die für eine Umsetzung erforderliche Akzeptanz erhalten.

Inzwischen gibt es Initiativen, die versuchen, das Defizit aufzuheben. Insbesondere mit dem Konzept Corporate Social Responsibility (CSR) in dem Grünbuch “Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen“ der Europäischen Kommission von 2001, aber auch mit konkreten Labeln wie dem Zertifikat des Forest Stewardship Council (FSC) und dem Flower Label Programm (FLP) sollen Prozesse vorangetrieben werden, die das Gleichgewicht der drei Säulen der Nachhaltigkeit herstellen sollen.

Wichtig wird es für die Zukunft sein, soziale Standards zu entwickeln, die den handelnden Akteuren die Möglichkeit geben, die sozialen Gegebenheiten zu überprüfen und weiterzuentwickeln. Hier sind die Gewerkschaften gefordert, die Interessen der Arbeitnehmer stärker einzubringen.

 

Prag

Repräsentanten tschechischer, polnischer, deutscher und europäischer Gewerkschaften unterzeichnen eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit bei sozialen Standards.

 

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3 Was bedeutet Nachhaltige Entwicklung?

Der Begriff „Sustainable Development” (dauerhafte bzw. nachhaltige Entwicklung) wurde seit dem 1987 erschienenen Abschlußbericht der World Commission on Environment and Development „Our Common Future” (Brundtland-Bericht) zum Orientierungsrahmen für eine weltweite Zukunftsdebatte. Es wird davon ausgegangen, dass die Menschheit in der Lage ist, „eine Zukunft zu schaffen, die geprägt ist von einem Mehr an Wohlstand, sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit … einer Entwicklung, die den gegenwärtigen Bedarf zu decken vermag, ohne gleichzeitig späteren Generationen die Möglichkeit zur Deckung des ihren zu verbauen.” (Brundtland-Bericht, S. 1) Der Bericht stellt den engen Zusammenhang von ökologischen und sozialen Zielen heraus. Diese Einheit ist allerdings bis heute zu wenig thematisiert und konkretisiert worden.

Spätestens seit der 1992 in Rio de Janeiro abgehaltenen "UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung" ist der Begriff zum zentralen Leitbild der globalen Umweltdiskussion geworden. Damals verpflichteten sich 178 Länder nationale Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln.

Die wesentlichen Ergebnisse wurden in der Agenda 21 zusammengefasst. Sie steht für eine Verbindung von ökonomischer Beständigkeit, dem Erhalt der ökologischen Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes und sozialer Gerechtigkeit. Diese drei Aspekte können nicht voneinander abgespalten oder gar gegeneinander ausgespielt werden. Gemeinsam bilden sie das Dreieck der Nachhaltigkeit.

 

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3.1 Das Nachhaltigkeitsdreieck

Nachhaltige Entwicklung will den heutigen Generationen ermöglichen ihre Bedürfnisse zu verwirklichen, ohne die Befriedigung der Bedürfnisse zukünftiger Generationen zu gefährden. Dazu ist es notwendig, unsere natürlichen Ressourcen zu erhalten, die wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern und menschenwürdige Lebensbedingungen zu ermöglichen.

Das Nachhaltigkeitsdreieck verweist auf die gleichberechtigte Betrachtung der drei Dimensionen Ökologie, Ökonomie und Soziales und ist ein wesentlicher Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung. Es gibt keine Übereinkunft, wie die konkreten Inhalte der Dimensionen aussehen sollen. Die genauen Ziele werden von den wichtigen gesellschaftlichen Gruppen ausgehandelt. Dabei ist sicher, dass die unterschiedlichen Interessen zu Konflikten führen können. Die Gewerkschaften müssen sich an diesem Prozess beteiligen und die berechtigten Interessen ihrer Mitglieder einbringen.

Einige der allgemeinen Inhalte, die sich in der bisherigen Diskussion „durchgesetzt“ haben, lauten:

 

 

Ökologie

  • Sparsamer Umgang mit den Ressourcen, insbesondere mit den nicht-erneuerbaren Ressourcen,
  • Vermeidung riskanter Schadstoffeinträge
  • Vermeidung der Übernutzung der Fläche
 

 

Ökonomie

  • Beibehaltung der ökonomischen Leistungsfähigkeit der Gesellschaft für künftige Generationen
  • Faire internationale Wirtschaftsbeziehungen
  • Förderung der Innovationsfähigkeit, Innovationsbereitschaft und des gesellschaftlichen Wandels
  • Einklang von Individualinteressen und Gemeinwohl
 

Soziales

  • Bekämpfung der weltweiten Armut
  • Angemessene Löhne
  • Soziale Absicherung
  • Möglichkeit zur lebenslangen Bildung
  • Beteiligung in Gesellschaft und am Arbeitsplatz
  • Verhinderung von Diskriminierung

 

Die Beteiligten der Rio-Konferenz betonten, dass eine nachhaltige Entwicklung eine weitreichende Änderung unserer Art des Wirtschaftens und auch unseres Lebensstils erfordern und daraus Unsicherheiten über die persönlichen Auswirkungen, Ängste vor der Zukunft und mögliche Konfliktpotentiale resultieren würden.

Deshalb sollten die notwendigen Entscheidungsprozesse öffentlich und für alle Bürger nachvollziehbar sein, damit eine nachhaltige Nutzung der Umweltgüter sozial akzeptabel wird. Deshalb wurde in der Agenda 21 auch eine Beteiligung aller gesellschaftlich wichtigen Gruppen gefordert.

Seit 1992 findet unter der Leitung der Vereinigten Nationen (UN) ein regelmäßiger Konsultationsprozess statt. Die Kommission für Nachhaltige Entwicklung (CSD) tagt jährlich in New York, um zentrale Fragestellungen und Themen unter Beteiligung der politischen Vertretungen der Nationen sowie der Vertreter aller wichtigen gesellschaftlichen Gruppen (Stakeholder) zu beraten. Zur Zeit schicken neun von der UN anerkannte Stakeholder – zu denen auch die Gewerkschaften gehören - Vertreter nach New York.

Ebenfalls seit 1992 beschäftigt sich die Europäische Union mit Fragen der nachhaltigen Entwicklung. So lautete der Titel des fünften Umweltaktionsprogramms aus dem gleichen Jahr „Für eine dauerhafte und umweltgerechte Entwicklung”.

Im Juni 2001 verabschiedete der Europäische Rat in Göteborg eine Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung und erweiterte damit die Strategie von Lissabon, die bis dahin die soziale und wirtschaftliche Dimension umfasste, um einen umweltpolitischen Pfeiler. In den Schlussfolgerungen der Präsidentschaft wurden die Grundzüge der im Mai 2001 von der Kommission verabschiedeten „Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung” übernommen. Dabei wurde die Kommission aufgefordert, sich mit dem Beitrag der Union zur nachhaltigen Entwicklung im Weltmaßstab zu befassen und im Hinblick auf den für den Weltgipfel von Johannesburg (August/September 2002) vorgesehenen Abschluss eines „weltweiten Pakts” eine Anzahl strategischer Komponenten zu erarbeiten.

 

Wichtige Etappen auf dem Weg zur nachhaltigen Entwicklung
1987 Brundtland-Report „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft)
  erste Begriffsdefinition „Nachhaltige Entwicklung”
1992 UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro
  178 Nationen verpflichten sich auf das Leitbild „Nachhaltige Entwicklung“
  wichtige Abkommen:
  • Agenda 21
  • Deklaration über Umwelt und Entwicklung
  • Klimaschutz-Konvention
1997 Aufnahme des Nachhaltigkeitsgedankens in den Amsterdamer Vertrag über eine Europäische Gemeinschaft
  Weltklimakonferenz in Kyoto
1999 Vorschlag für einen Globalen Pakt der Vereinten Nationen
2001 Verabschiedung einer Nachhaltigkeitsstrategie durch die Europäische Union
2002 Weltkonferenz für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg
 

 

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3.2 Soziale Kriterien

Obwohl es noch keine allgemein akzeptierte Konkretisierung des Konzepts Nachhaltigkeit für die einzelnen Sektoren gibt, zeichnen sich die Zielebenen immer deutlicher ab. Für die soziale Nachhaltigkeit sind insbesondere folgende Punkte relevant:

  • die soziale Verantwortung des Managements gegenüber den Beschäftigten und externen Stakeholdern
  • die Personalentwicklung sowie die Zukunft der Arbeitsplätze
  • die Zahlung von angemessenen Arbeitsentgelten
  • die Qualität der Arbeitsplätze
  • die Gestaltung des Arbeitsschutzes
  • die Verhinderung sozialer Diskriminierung
  • die Einhaltung von Tarifverträgen
  • die Qualifizierung und Weiterbildung im Sinne eines lebenslangen Lernens
  • die Möglichkeit der Organisation der Beschäftigten
  • die Beteiligung der Arbeitnehmer an innerbetrieblichen Prozessen

Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft hängt auch davon ab, wie weit es gelingen wird, diesen Katalog weiterzugestalten, ihn zu präzisieren und zu weitgehend akzeptierten Qualitätsstandards zu gelangen. Letztlich geht es um die Entwicklung einer sozialen Nachhaltigkeitsstrategie, die mit den Bereichen Ökologie und Ökonomie kompatibel ist.

 

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3.3 Das Baum-Modell

Nachhaltige Entwicklung muss überprüfbar und nachvollziehbar sein! Das 1992 in Rio de Janeiro von über 178 Regierungen verabschiedete Konzept „Nachhaltige Entwicklung“ wurde als Leitbild vorgestellt, das von der Weltgemeinschaft wie auch von den Einzelstaaten, aber auch in den Regionen und Kommunen konkretisiert werden soll. Dabei geht es darum, immer konkretere Vorgaben zu entwickeln, die so verständlich sind, dass sie auch umgesetzt werden können.

Ein mögliches Modell zur besseren Veranschaulichung der verschiedenen Stufen ist das Baum-Modell, das vom allgemeinen Leitbild über Leitlinien und daraus abgeleiteten Zielen schließlich Indikatoren entwickelt:

Stamm - Leitbild

Äste - Leitlinien

Zweige - Leitziele

Blätter - Indikatoren

Indikatoren sind messbare Kennwerte oder Merkmale. Nachhaltigkeitsindikatoren vereinfachen es, über Nachhaltigkeit zu sprechen, sie übersetzen das Konzept in Bilder, Zahlen, wünschenswerte Zustände. Sie dienen dazu, die Diskussionen um Nachhaltigkeit an der Wirklichkeit überprüfbar zu machen.

Indikatoren sind nützliche Instrumente, um zu beurteilen, ob eine Aktivität oder eine Maßnahme ein mehr an Nachhaltigkeit auslöst. Sie sind aber auch mit vielen Problemen behaftet. Ihre Probleme haben sie vor allem darin, genau zu bestimmen, was gemessen werden soll. Dies ist Aufgabe der Politik im Zusammenspiel mit den gesellschaftlich wichtigen Akteuren bzw. Gruppen. Erst wenn diese Akteure eingebunden sind, kann auch die notwendige Zustimmung in der Gesellschaft erfolgen, ohne die eine nachhaltige Entwicklung zum Scheitern verurteilt ist.

In der Debatte über Nachhaltigkeit müssen neben den grundsätzlichen Zielen vertikale (weltweit, national, regional, lokal) und horizontale (Branchen, Betriebe …) Indikatoren für die drei Dimensionen entwickelt werden.

Die Gewerkschaften sind gefordert, sich an diesem Prozess zu beteiligen und ihre Vorstellungen zur sozialen Gerechtigkeit umzusetzen.

 

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4 Beteiligungsmöglichkeiten der Gewerkschaften

4.1 Der Globale Pakt der Vereinten Nationen

Die neun Prinzipien des Globalen Paktes der Vereinten Nationen.

Am 31.01.1999 hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos einen Globalen Pakt zwischen der Vereinten Nationen und der Privatwirtschaft vorgeschlagen. Unternehmen und sonstige private Institutionen, die dem globalen Pakt beitreten, sollen sich danach zur Umsetzung folgender Ziele und Werte im Rahmen ihrer Unternehmenspolitik verpflichten:

Menschenrechte

1. Die Wirtschaft soll den Schutz der international verkündeten Menschenrechte unterstützen und achten und

2. sicherstellen, dass sie sich nicht an Menschenrechtsverletzungen beteiligt.

Arbeitsbeziehungen

3. Die Wirtschaft soll die Vereinigungs- und Tariffreiheit wahren sowie ferner für

4. die Beseitigung aller Formen der Zwangs- oder Pflichtarbeit,

5. die tatsächliche Abschaffung der Kinderarbeit und

6. die Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf eintreten.

Umwelt

7. Die Wirtschaft sollte umsichtig mit ökologischen Herausforderungen umgehen,

8. Initiativen zur Förderung eines verantwortlichen Umgangs mit der Umwelt durchführen und

9. sich für die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien einsetzen.

 

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4.2 Gewerkschaften und Nachhaltigkeit

Die auf der Rio-Konferenz verabschiedete Agenda 21 hat den Arbeitern und Gewerkschaften ein eigenes Kapitel gewidmet: Kapitel 29 „Stärkung der Rolle der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften“.

Ausgangspunkt ist die Einschätzung, dass die Bemühungen um die Umsetzung einer Strategie der nachhaltigen Entwicklung Anpassungsprozesse und Handlungsspielräume auf staatlicher Ebene und auf Unternehmensebene mit sich bringen werden, von denen Arbeitnehmer in besonderer Form betroffen sind. Die Gewerkschaften werden aufgrund ihrer Erfahrungen mit dem industriellen Wandel, aufgrund der extrem hohen Priorität, die sie dem Schutz der Arbeitsumwelt und der dazugehörigen natürlichen Umwelt einräumen, und aufgrund ihres Engagements für eine sozial verantwortliche wirtschaftliche Entwicklung als wichtige Handlungsträger angesehen, um die Erzielung einer nachhaltigen Entwicklung zu erleichtern.

Als wesentliches Gesamtziel wird genannt: die Bekämpfung der Armut sowie eine nachhaltige Vollbeschäftigung als Beitrag zu einer sicheren, sauberen und gesunden Umwelt - sowohl der Arbeitsumwelt als auch der Gemeinschaft und der natürlichen Umwelt. Arbeitnehmer sollen deshalb umfassend an der Umsetzung und Bewertung der im Zusammenhang mit der Agenda 21 vorgeschlagenen Maßnahmen beteiligt werden.

Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften (IBFG) hat unter Beteiligung vieler nationaler Gewerkschaften an vielen Nachhaltigkeitskonferenzen – so auch an den Konferenzen der Kommission für Nachhaltige Entwicklung – teilgenommen und die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Dabei wurde und wird insbesondere versucht, die Anerkennung der Core Labour Standards der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) als Grundlage der sozialen Dimension sicherzustellen. Der IBFG versucht eng mit den nationalen Gewerkschaften, aber auch mit übergeordneten Organisationen wie dem Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) zu kooperieren.

Auch die IG BAU hat sich in diesen Prozess eingemischt. So haben z.B. an der Johannesburg-Konferenz im August/September 2002 mehrere Mitglieder der IG BAU teilgenommen.

 

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4.3 Europäischer Sozialer Dialog

Bereits im Vertrag von Rom war es eine der Aufgaben der Kommission, eine enge Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Koalitionsrechts und der Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern.

1985 wurde der Soziale Dialog von Val Duchesse eingeleitet und vom damaligen EU-Kommissionspräsidenten Jacques Delors aufgenommen, um die europäischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer in seine Reformen (Einheitliche Europäische Akte, Binnenmarkt und Währungsunion) einzubinden und deren Unterstützung zu gewinnen. Seither gibt es einen regelmäßigen Gedankenaustausch zwischen Kommission (später auch Rat) und Sozialpartnern über alle sozial- und wirtschaftspolitischen Projekte der EU. Seitens der Sozialpartner nehmen der europäische Industrieverband UNICE, der Verband der öffentlichen Unternehmen CEEP und der europäische Gewerkschaftsbund EGB an diesen Beratungen teil. Mit dem Vertrag von Maastricht (Sozialprotokoll) wurden eine verpflichtende Konsultation aller Interessenverbände zu sozialen Themen und die Möglichkeit zum Abschluss von Kollektivverträgen eingeführt. Bereits abgeschlossen wurden u.a.

  • Rahmenvereinbarungen über Elternurlaub vom 14. Dezember 1995
  • Rahmenvereinbarung über Teilzeiturlaub vom 6. Juni 1997
  • Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999
  • Rahmenvereinbarung für die Verbesserung der entlohnten Beschäftigung in der Landwirtschaft der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (Empfehlung) vom 24. Juli 1997

Seit dem ersten Januar 1999 werden für Sektoren (unter anderem Landwirtschaft und Bauwesen) Ausschüsse für den sektoralen Dialog eingerichtet. Ab 2000 angenommene gemeinsame Texte:

  • Konferenz der EFA und der GEOPA/COPA zur entlohnten Beschäftigung in der Landwirtschaft der Europäischen Union, Saint-Raphael, Frankreich, 12./13. April: Schlusserklärung vom 13. April 2000
  • Weißbücher der europäischen Sozialpartner über Beschäftigung und Landwirtschaft: Beschäftigungssicherung vermittels Aus- und Weiterbildung in der europäischen Landwirtschaft, 13. April 2000
  • Leitlinien für Spritzgeräte: Spritztechnik, Umwelt und Sicherheit, 8. November 2000.
  • Sicherheitshandbuch für die Forstwirtschaft, 8. November 2000
  • Europäische Vereinbarung über Berufliche Bildung in der Landwirtschaft, 5. Dezember 2002.

 

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4.4 Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss EWSA berät die Europäische Kommission und den EU-Ministerrat bei Gesetzesvorschlägen. Seine Anhörung ist verbindlich in bestimmten sozialen oder wirtschaftlichen Fragen, so etwa in den Bereichen Landwirtschaft, Verkehr, Sozialpolitik, Bildung oder Verbraucherschutz. Der Ausschuss kann auch vom Europäischen Parlament gehört werden. Der EWSA repräsentiert neben Arbeitgebern, Arbeitnehmern, Landwirten oder Verbrauchern auch weitere wichtige Interessengruppen aus dem wirtschaftlichen und sozialen Leben. Seine 222 Mitglieder werden auf Vorschlag der EU-Länder vom Ministerrat ernannt. Ihre Amtszeit beträgt vier Jahre. Alle Mitglieder handeln weisungsungebunden. Bevölkerungsstarke EU-Mitglieder, unter ihnen auch Deutschland, entsenden je 24 Vertreter in den Wirtschafts- und Sozialausschuss. Der Nizza-Vertrag sieht eine Mitgliederzahl von 344 vor, wenn die 10 Staaten, deren Beitritt zur EU 2004 erfolgen wird, sowie Bulgarien und Rumänien beigetreten sind.

Funktion und Zuständigkeit

Der EWSA ist ein apolitisches Gremium mit beratender Funktion, das den europäischen Sozialpartnern (Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Gewerkschaften, Verbraucherverbände usw.) Gelegenheit gibt, zu den EU-Politiken förmlich Stellung zu nehmen. Durch seine beratende Funktion ist der EWSA, seine Mitglieder und die von ihnen vertretenen Organisationen in den Beschlussfassungsprozess der Union eingebunden. Die Zusammensetzung des EWSA entspricht seiner Aufgabe als Sprachrohr der verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Interessengruppen aus den Mitgliedstaaten.

Die Funktion des Wirtschafts- und Sozialausschusses im Rechtsetzungsprozess

Seine beratende Tätigkeit übt der WSA aus, indem er der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Parlament seine Stellungnahmen zu verschiedenen Fragen vorlegt. Diese Stellungnahmen werden von Mitgliedern des EWSA aus den einzelnen wirtschaftlichen und sozialen Bereichen der Europäischen Union erstellt.

In einer Stellungnahme zur „Bewertung der EU Strategie für nachhaltige Entwicklung – Sondierungsstellungnahme“ zieht der EWSA Bilanz mit der Politik der Europäischen Kommission und gibt einen Ausblick. Fazit zum Thema Soziale Standards des EWSA ist: dass der sozialen Dimension bei der Überarbeitung der Strategie für nachhaltige Entwicklung ein sehr hoher Stellenwert eingeräumt werden muss, wenn nicht am Ende die ganze Strategie und ihr Rückhalt Schaden nehmen soll. Der EWSA definiert vier Bereiche auf den ein besonderes Gewicht gelegt werden soll:

  • Zentraler Aspekt eines nachhaltigen Arbeitslebens ist die Arbeitsqualität in einer von Vollbeschäftigung geprägten Gesellschaft.
  • Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Alterung der Bevölkerung müssen eingehend analysiert werden, damit gesellschaftliche Veränderungen rechtzeitig erkannt und die entsprechenden Politiken angepasst werden können.
  • Die Bekämpfung der Armut ist ein zentrales Ziel ebenso die damit verbundene Diskriminierung von Teilen der Gesellschaft.
  • Die Gesundheitssicherheit ist gesellschaftliche Verpflichtung und ein Grundrecht der Bürger.

Als Instrument, von dem eine starke Wirkung ausgeht, könnte eine Charta über nachhaltige soziale Entwicklung dienen.

 

Auswahl der Stellungnahmen, die von Gewerkschaftsvertretern eingebracht wurden:

  • Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zur „Beschäftigungssituation in der Landwirtschaft der EU und den Bewerberländern, Handlungsoptionen für 2010“ vom 29. Januar 2004.
  • Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Erneuerbare Ressourcen: ein Beitrag des ländlichen Raumes zum aktiven Klimaschutz und zur nachhaltigen Entwicklung“ vom 4. August 2000.
  • Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Entwicklung einer Initiative zur Regelung von Rahmenbedingungen für den Einsatz landwirtschaftlicher Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeiter aus Drittstaaten“ vom 24. Mai 2000.

 

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4.5 Soziale Verantwortung der Unternehmen: eine neue Strategie der Kommission zur Förderung der nachhaltigen Entwicklung

Die Europäische Kommission hat im Juli 2002 eine neue Strategie zur Förderung der sozialen Verantwortung der Unternehmen CSR gebilligt. CSR ist definiert als mit dem Kerngeschäft verknüpftes freiwilliges sozial und ökologisch verantwortliches Handeln der Unternehmen, das über die gesetzlichen Verpflichtungen hinausgeht. Diese Strategie soll bewirken, dass die Unternehmen stärker zur nachhaltigen Entwicklung beitragen. In dem Strategiepapier wird eine neue soziale und ökologische Rolle der Unternehmen in der Weltwirtschaft gefordert.

Die Kommission muss eine wichtige Rolle im Bereich CSR spielen:

  • Sie soll Unternehmen in ganz Europa veranlassen, Best Practice auszutauschen und gemeinsame Bewertungsgrundsätze festzulegen.
  • Außerdem wird die Kommission auf eine Integration der CSR-Grundsätze in alle anderen EU-Politiken hinarbeiten, z. B. durch Förderung eines besseren Verständnisses der CSR in den Entwicklungsländern.
  • Die Kommission wird 2004 einen Bericht über die Arbeit des europäischen Stakeholder-Forums veröffentlichen.
  • Gleichzeitig wird ein europäisches Stakeholder-Forum EMS eingerichtet, das allen Akteuren – Sozialpartnern, d.h. Gewerkschaften und Unternehmern, Zivilgesellschaft, Verbrauchern und Investoren – als Plattform dienen soll, um ein einheitliches EU-Konzept festzulegen und einschlägige Leitsätze zu erarbeiten, Best Practice auszutauschen, Verfahrensbestimmungen festzulegen und sich auf objektive Bewertungsmethoden und Regelungsinstrumente zu einigen, wie z. B. Sozialgütesiegel.

Die Anfänge der CSR-Diskussion auf EU-Ebene reichen bis ins Jahr 1995 zurück: In diesem Jahr veröffentlichten eine Gruppe europäischer Unternehmen und der Präsident der Europäischen Kommission Jacques Delors ein Manifest der Unternehmen gegen Ausgrenzung. Dies führte zur Schaffung eines europäischen Unternehmensnetzes, das den Dialog zwischen den Unternehmen und den Austausch von Best Practice zu CSR fördert (CSR Europa). Ganz oben auf die politische Agenda der EU wurde CSR jedoch erst auf dem Europäischen Gipfel in Lissabon im März 2000 gesetzt. Zum ersten Mal appellierten die Staats- und Regierungschefs der EU an die Verantwortung der Unternehmen und forderten sie auf, einen Beitrag zu leisten zur Realisierung des neuen strategischen Ziels der EU, bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten und integrativsten Wirtschaft der Welt zu werden. Entsprechend hat die Kommission im Juli 2001 ein Grünbuch über CSR veröffentlicht.

Die Forderungen der Gewerkschaften zur CSR lauten:

  • Sollen sie glaubwürdig sein, dürfen CSR-Praktiken nicht einseitig von den Unternehmen entwickelt, umgesetzt und bewertet werden; einzubeziehen sind alle Stakeholder.
  • Die soziale und ökologische Berichterstattung sollte obligatorisch und verifizierbar sein.
  • CSR ist verknüpft mit Corporate Governance, denn die Unternehmen müssen für ihre Tätigkeit Verantwortung übernehmen.

 

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FSC Logo 

4.6 Forest Stewardship Council (FSC)

Ziel des FSC ist eine umweltverträgliche und sozial gerechte Waldbewirtschaftung. Es soll ein Interessenausgleich zwischen der ökologischen, sozialen Belangen und wirtschaftlichen Ansprüchen an den Wald geschaffen werden.

Organisation

Bei der Organisation folgt der FSC dieser Dreiteilung in Ökologie, Soziales und Wirtschaft. Sowohl beim FSC International wie auch bei den nationalen Arbeitsgruppen existiert ein strenges Dreikammersystem: Die Mitgliedschaft ist freiwillig, die Mitglieder müssen sich bei der Aufnahme somit entweder für die Wirtschaftskammer, die Sozialkammer oder die Umweltkammer entscheiden und ihren Antrag entsprechend begründen. Um einem globalen Ungleichgewicht im Vorfeld entgegenzuwirken, hat der FSC auf globaler Ebene neben dem Dreikammersystem einen Ausgleich für Mitglieder der Nord- und Südhalbkugel geschaffen. Jede Kammer hat bei Entscheidungen die gleiche Stimmenzahl. Keine Kammer kann so die andere überstimmen. Auch der ehrenamtlich arbeitende Vorstand folgt dieser dreigeteilten Gliederung: Neben einem Vorstandsvorsitzenden stellt jede Kammer einen Vorstand und einen Stellvertreter.

Standards

In den FSC-Standards werden Mindeststandards definiert, die garantieren, dass die ökologischen Grundfunktionen des Waldökosystems langfristig gewährleistet werden können. Gleichzeitig wird jedoch ein Ausgleich gesucht zwischen den jeweils am Wald beteiligten Bevölkerungsgruppen. Auch gerechte und sichere Arbeitsbedingungen werden durch die Standards vorgegeben. Trotz dieser hohen Anforderungen an einen umweltverträglichen Umgang mit Wald und an soziale Gerechtigkeit bleibt die Nutzung des Waldes ein gleichwertiges, wichtiges Prinzip des FSC.

In Deutschland gelten z.B. folgende Grundsätze:

Umweltschonende Nutzung
  • Kahlschläge sind grundsätzlich zu unterlassen
  • Biozide werden nicht eingesetzt
  • Totholz verbleibt im Wald
Sozialverträgliche Arbeitsbedingungen
  • Personal wird möglichst ganzjährig beschäftigt
  • Regelmäßige Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen
  • Sorgfaltspflicht bei der Auswahl von Dienstleistern
  • Waldnutzungsrechte werden anerkannt
Effiziente Bewirtschaftung
  • Erzeugung hoher Holzqualitäten
  • Regelmäßige Durchführung einer Forstinventur
  • Produktion marktgerechter, möglichst starker Hölzer
  • Dauerhafte Marktversorgung

 

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Flower Logo

4.7 Flower Label Programm

Blumen aus menschengerechter und umweltschonender Produktion

1998 haben

  • die Interessenverbände des Blumenhandels - der Blumengroß- und Importhandelsverband (BGI),
  • der Fachverband Deutscher Floristen (FDF),
  • die Menschenrechtsorganisation FIAN (FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk),
  • das evangelische Hilfswerk „Brot für die Welt”,
  • das Kinderhilfswerk „terre des hommes” und
  • die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU)

das "Flower Label Programm" (FLP) gegründet.

Dies Programm legt Richtlinien für die menschenwürdige und umweltschonende Blumenproduktion fest. Es umfasst soziale und ökologische Standards und überwacht deren Einhaltung in der internationalen Blumenproduktion.

Hintergrund war die Situation auf dem deutschen Blumenmarkt. In Deutschland werden jährlich rund vier Milliarden EURO für Schnittblumen ausgegeben. Davon werden rund 12 % der Schnittblumen in Deutschland produziert, der übrige Teil der hierzulande vermarkteten Blumenproduktion wird aus dem Ausland importiert. Von den nach Deutschland eingeführten Blumen werden viele in den Niederlanden produziert - aber fast die Hälfte der gesamten in Deutschland verkauften Blumen kommen aus anderen Ländern wie Ecuador, Kolumbien, Kenia, Simbabwe, Israel, Spanien, Türkei usw.

In diesen Ländern arbeiten insbesondere Frauen auf den Blumen-Farmen, deren Arbeitsbedingungen häufig nicht so "rosig" sind. Fehlender Arbeitsschutz führt zu Unfällen, unzureichende Arbeitsverträge und Arbeitszeitregelungen zu familiären Problemen, fehlender Umweltschutz zu lokalen Belastungen.

Blumenfarmen, die im Flower Label Programm mitwirken, müssen u.a. folgende Standards erfüllen:

  • Gewerkschaftsfreiheit
  • Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit
  • Festverträge und überdurchschnittliche Sozialleistungen
  • Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit
  • Verantwortlicher Umgang mit natürlichen Ressourcen
  • Verbot hochgiftiger Pflanzenschutzmittel

Alle FLP-Mitgliedsfarmen sind verpflichtet, die weltweit anerkannten Arbeitsrechte einzuhalten, die von der internationalen Arbeitsorganisation (ILO) vorgegeben sind. Weltweit kann sich jede Blumenfarm nach den FLP-Standards von unabhängigen Gutachtern prüfen lassen und Mitglied im Flower Label Programm werden - vorausgesetzt die o.g. Standards sind erfüllt. Menschenrechtsgruppen und Gewerkschaften haben das Recht auf Stichproben. Für die Arbeiter und Arbeiterinnen werden vertrauenswürdige Beschwerdestellen in jedem Land eingerichtet. Nach der Prüfung werden die Farmen mit einem FLP-Zertifikat ausgezeichnet und sind damit berechtigt, Blumen mit dem FLP-Siegel auf dem Markt anzubieten.

Inzwischen gibt es mehr als 50 Blumenfarmen in Kenia, Ecuador, Simbabwe, Südafrika, Tansania und Kolumbien, die Mitglied im Flower Label Programm geworden sind. In diesen Farmen gibt es jetzt bessere Arbeitsbedingungen. Durch das FLP erhalten viele Blumenarbeiterinnen erstmals

  • dauerhafte Festverträge,
  • bezahlten Schwangerschaftsurlaub,
  • Mindestlöhne und
  • zusätzliche Sozialleistungen.

In den afrikanischen Ländern leben die Arbeiter vielfach auf den Blumenplantagen. Ordentliche Häuser mit ausreichender Wasserversorgung sind daher eine Voraussetzung für die Erlangung des Siegels. Die Bereitstellung von preisgünstigen Lebensmitteln und kleinen Gemüsegärten ist wichtig für die Sicherung des Menschenrechts auf Nahrung. Beim Umgang mit Pflanzenschutzmitteln sind strikte Vorsichtsmaßnahmen festgelegt. Auf Pflanzenschutzmittel kann noch nicht verzichtet werden, doch sind problematische Mittel aus dem Programm ausgeschlossen.

In Deutschland werden die dort produzierten Blumen mittlerweile in mehr als 700 Blumenfachgeschäften bundesweit angeboten.

 

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4.8 Initiativen der Gewerkschaften auf nationaler Ebene

Auch auf nationaler Ebene können Gewerkschaften sich am Prozess der Nachhaltigen Entwicklung und somit an der Durchsetzung von sozialen und ökologischen Standards beteiligen. Für die zahlreichen Initiativen sind zwei stellvertretend genannt:

Dialog mit der Zementindustrie

Angesichts der besonders brisanten Situation der Zementindustrie als intensiver Energieverbraucher hat sich nach der Diskussion über die Ökosteuer ein Arbeitskreis gebildet, der über Wege zur Nachhaltigkeit in der Zementindustrie nachdenkt.

„Das Plus für Arbeit und Umwelt”

Die IG BAU hat zusammen mit Greenpeace ein Projekt entwickelt, um die Vereinbarkeit von Umweltschutz und Beschäftigungsentwicklung praktisch aufzuzeigen (http://www.arbeit-und-umwelt.de). Ziel ist es, den Wohnungsbestand anhand der bestimmter Kriterien zu sanieren. Die Wohnungsbaugesellschaften erhalten im Gegenzug ein Gütesiegel.

 

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5 Grenzüberschreitende Gewerkschaftsarbeit

Vom globalen Denken zum lokalen Handeln

Die vorgenannten Beispiele zur Verbesserung sozialer Standards und die damit notwendigen Einflussmöglichkeiten zeigen, dass gewerkschaftliche Einflussnahme möglich ist. Die Beispiele zeigen aber auch deutlich, dass gerade die Festlegung von Sozialen Standards kaum von einer Gewerkschaft in Nationaler Zuständigkeit gelöst werden kann. Branchenübergreifende Arbeit und grenzüberschreitende Arbeit sind dazu die entsprechenden Stichworte. Hier einige Beispiele:

 

Die Gestaltung des Arbeitsschutzes

Am Beispiel des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in der Landwirtschaft wird dies deutlich!

Am 21. Juni 2001 wurde durch die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) das Übereinkommen über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft (Übereinkommen 184) und der Empfehlung betreffend den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft (Empfehlung 192) verabschiedet. Mit diesen Urkunden werden zum ersten Mal den Landwirtschaftsarbeitnehmern im Rahmen des internationalen Rechts die gleichen Rechte und der gleiche Schutz wie anderen Arbeitnehmergruppen garantiert.

Die Europäische Kommission verabschiedete mehrere Richtlinien für den Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz. Mit der verbindlichen Übernahme europäischen Rechtes in das jeweilige Landesrecht gelten in jedem Mitgliedsland die gleichen Standards. Ab den 1. Mai 2004 gelten diese Regelungen auch für die neuen Beitrittsländer.

Eine Vereinbarung oder eine Richtlinie zu verabschieden ist eine Sache, die Standards in den Betrieben umzusetzen eine andere.

Berichte aus den Betrieben zeigen immer wieder, dass in allen Ländern noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Immer noch gehören die Land- und Forstwirtschaft und das Bauwesen zu den Branchen, in denen es viele Arbeitsunfälle gibt. Vor diesem Hintergrund sahen es die Gewerkschaften als Fortschritt, dass im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik der Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Landwirtschaft mit den ökologischen und ökonomischen Standards gleichgestellt werden sollte. Es war vorgesehen, dass bei Verstößen gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz den Unternehmen die Subvention gekürzt werden können. Unverständlich ist, warum dies nicht in der endgültigen Verordnung umgesetzt worden ist. Ist der Schutz des Menschen weniger wert wie der Tierschutz?

Doch die Gewerkschaften werden an dieser Thematik nicht locker lassen.

Konkrete grenzüberschreitende Vorhaben sind geplant, an denen sich möglichst viele Kolleginnen und Kollegen beteiligen sollten:

  • Eine engere grenzüberschreitende Kooperation (Deutschland, Tschechien, Polen) der zuständigen Experten für den Bereich der Prävention
  • Grenzüberschreitendes Kennenlernen von Best Practice in der betrieblichen Prävention.
  • Von der Berufsgenossenschaft werden Informationen in polnischer Sprache vorbereitet, damit die polnischen Saisonarbeitskräfte in ihrer Muttersprache über Schutzmaßnahmen informiert werden können.
  • Es wird eine Initiative gestartet, das gemeinsame Recht und die Richtlinien in alle Sprachen der Mitgliedsländer der EU zu übersetzen.
  • Gemeinsam mit der Europäischen Föderation der Agrargewerkschaften ist eine europäische Informationskampagne zu den Gefahrstoffen in der Landwirtschaft vereinbart.

 

Die Einhaltung von Tarifverträgen

Viele Bereiche unterliegen noch keinen tariflichen Regelungen. Dort wo es welche gibt muss für deren Durchsetzung im Betrieb gerungen werden. Sowohl in der Landwirtschaft als auch in der Bauwirtschaft finden zwischen den Gewerkschaften Konsultationen über die tarifliche Entwicklung statt. Beispiel dafür sind die Projekte:

  • Kollektivvereinbarungen in der Landwirtschaft Nordwesteuropas
  • Grenzüberschreitende Tarifregelungen und Entwicklung der Arbeitsbeziehungen im Baugewerbe und in der Landwirtschaft Polens.

Mit der Öffnung der Grenzen und der Zunahme der Wanderarbeit wird dieses Thema in der grenzüberschreitenden Arbeit an Bedeutung zunehmen.

 

Qualifizierung und Weiterbildung im Sinne eines Lebenslangen Lernens

Eine lange Tradition in der europäischen Arbeit der Sozialpartner hat die Diskussion um gemeinsame Bildungsstandards. In einer gemeinsamen Vereinbarung der Sozialpartner (siehe auch das Kapitel zum Sozialen Dialog) konnte ein Rahmen über die Vergleichbarkeit der beruflichen Bildung festgelegt werden.

Gerade vor dem Hintergrund des beruflichen Strukturwandels in der Agrar- und Bauwirtschaft ist eine qualifizierte Ausbildung für die langfristige Sicherung des Berufsnachwuchses erforderlich. Dies unterstreicht den grenzüberschreitenden Handlungsbedarf für diesen sozialen Standard.

 

Verhinderung sozialer Diskriminierung

Katastrophale Unterbringung, die Verweigerung von tariflichen und gesetzlichen Leistungen sind Situationen mit denen ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer häufig konfrontiert werden. Unter Ausnutzung der wirtschaftlichen Notlage werden viele Arbeitskräfte angeworben und zu illegalen Tätigkeiten herangezogen. Nach dem Schritt der Diskriminierung gleiten die Beschäftigten auch sehr schnell in die Kriminalität ab.

Der erste Ansatzpunkt ist die Information der Beschäftigten über ihre Rechte. Bisher fanden mehrere Informationsveranstaltungen statt. Gemeinsam mit der polnischen Gewerkschaft ZZPR erfolgte die Herausgabe einer Informationsschrift über die Rechtslage.

Geplant sind weitere Aktivitäten mit dem Schwerpunkt „Menschenwürdige Unterkünfte für ausländische Saisonarbeitskräfte“. Ziel ist es, als sozialen Standard eine verbindliche Regelung über die Unterkünfte durchzusetzen.

 

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6 ANHANG

 

6.1 Agrargewerkschaften aus der Tschechischen Republik, Polen und Deutschland gemeinsam für soziale Standards in der Landwirtschaft

Die Gewerkschaften ZZPR (Polen) OSPZV-ASO (Tschechische Republik) und IG BAU (Deutschland) sowie die europäische Förderation EFFAT diskutierten im Rahmen eines Ost-West Workshops vom 11.-13.März in Prag über die Erhaltung und Entwicklung Sozialer Standards in der Landwirtschaft.

Die hochrangigen Gewerkschafter stellten fest:

Beim europäischen Einigungsprozess dürfen die Sozialen Standards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht verschlechtert werden. Im Gegenteil, mit der Osterweiterung müssen die positiven Erfahrungen aus den einzelnen Ländern ausgewertet und transportiert werden.

Soziale Standards sind ein unverzichtbares Element bei der Nachhaltigen Entwicklung der europäischen Landwirtschaft und des Ländlichen Raumes insgesamt.

Die Gewerkschafter setzen sich gemeinsam für die Festlegung und Durchsetzung von Sozialen Standards in der Landwirtschaft ein. Sie bewerten die Vorgabe der Kommission positiv, im Rahmen der Verordnung über Direktzahlen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik, nach der zur Grundanforderung an die Betriebsführung auch die Gesundheit des Menschen gehört.

Unternehmen, die sich nicht an die Bestimmungen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes halten und gegen diese grob verstoßen, gehören die Subvention gekürzt!

Neben dem Arbeits- und Gesundheitsschutz müssen für die Landwirtschaft und den Ländlichen Raum weitere Soziale Standards wie z.B. der Aus- und Weiterbildung, der Alterssicherung, der Gesundheitsvorsorge mit den Vertretern der Zivilgesellschaft diskutiert, festgelegt und systematisch umgesetzt werden.

Auch nach der Erweiterung wird die landwirtschaftliche Saisonarbeit ein Gebiet bleiben auf dem sich die Gewerkschaften engagieren müssen. Dir Durchsetzung menschenwürdiger Unterkünfte, die Information über Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz in der jeweiligen Muttersprache des Saisonarbeiters und die Durchsetzung tariflicher Mindestlöhne sind dabei die vordringlichsten Probleme, die es zu lösen gilt.

Die Gewerkschaften wollen diese Probleme in enger Kooperation angehen und fordern die jeweils zuständigen Stellen auf, sich an dieser Kooperation zu beteiligen!

Illegale Arbeit ist nach wie vor ein nicht gelöstes Problem! Doch die Gewerkschaften stellen fest, dass nicht der illegal Beschäftigte der Täter ist. Dieser ist vielmehr ein Opfer der kriminellen Geschäftemacher und Menschenhändler. Ihnen ist das Handwerk zu legen.

Die Gewerkschaften wollen in den Entsendeländern gemeinsam über die Rechtlichen Vorschriften in dem Aufnahmeland aufklären.

Angesichts der bevorstehenden Erweiterung bekräftigen die unterzeichnenden Gewerkschaften ihren festen Willen den gemeinsamen Weg einer engen Kooperation fortzusetzen.

 

Bohumir Duffek, OSPZV-ASO
Leon Grycuk, ZZPR
Hajo Wilms, IG BAU
Arnd Spahn, EFFAT

 

Prag, 12. März 2004

 

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6.2 Literatur und Internet-Adressen

 

Born, Manfred; de Haan, Gerhard: Methodik, Entwicklung und Anwendung von Nachhaltigkeitsindikatoren

www.umweltschulen.de/download/nachhaltigkeitsindikatoren_born_deHaan.pdf

 

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (Hrsg.): Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung im Juni 1992 in Rio de Janeiro - Agenda 21. Dokumente. Bonn o.J.

 

Europäische Kommission: Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen

www.europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/greenpaper_de.pdf

 

Hauff, Volker (Hrsg.): Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung. Greven 1987 - Brundtland-Report „Our Common Future“ (Unsere gemeinsame Zukunft)

 

Die Europäische Union

Internetauftritt der Europäischen Union (dort auch Internetseiten in den jeweiligen Landessprachen)

www.europa.eu.int

 

CSR: Die Mitteilungen der Kommission mit der neuen Kommissionsstrategie zu CSR finden sich auf der CSR-Homepage:

www.europa.eu.int/comm/employment_social/soc-dial/csr/csr_index.htm

 

FLP

www.flower-label-programm.org

 

FSC-International

www.fsc.org

FSC-Deutschland

www.fsc-deutschland.de

 

Informationen zum Thema Nachhaltigkeit

www.umdenken.de/akademie/index,id,17.html

www.nachhaltigkeit.aachener-stiftung.de

 

Sozialer Dialog und WSA

www.europa.eu.int/eur-lex/de/about/pap/process_and_players4.html

www.europarl.eu.int/factsheets/4_8_6_de.htm

www.esc.eu.int/pages/intro_de.htm

 

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Anmerkung

Im Rahmen dieser Broschüre konnte nur ein Teil der Handlungsfelder aufgezeigt werden. Die Bilanz zeigt die Einflussmöglichkeiten der Sozialpartner auf. Grundlage dafür ist eine kontinuierliche Arbeit mit klaren Zielvorstellung sowie eine enge Kooperation auf europäischer Ebene.

 


Impressum

Herausgeber: Industriegewerkschaft Bauen - Agrar - Umwelt

Text: Peter Kern

Berlin 2004

 

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